Christoph Schweizer: "Praktikum fürs Leben"

Lange habe ich überlegt wie ich diese eine Woche auf eine Seite Papier bekomme. Mir schien es unmöglich, da es so viele schöne Erfahrungen und Eindrücke für mich waren. Jeder einzelne dieser Momente war von enormer Wichtigkeit.

Von Anfang an stand für mich fest, dass ich ohne große Erwartungen in diese Woche starten möchte und alles auf mich zukommen lassen werde. Vielleicht als kurze Erläuterung, ich hatte zuvor noch nicht sehr viele Erfahrungen im Umgang mit behinderten Menschen gehabt. Trotz meines Bestrebens bezüglich der Erwartungen, habe ich mir natürlich den einen oder anderen Gedanken gemacht, was auf mich zukommen könnte. Doch letztendlich habe ich diesen Gedächtnisspielereien keine Beachtung geschenkt und mir lediglich zwei große Ziele gesetzt: Viel Spaß zu haben und viele neue Kontakte zu knüpfen.

So begann ich am ersten Tag total unbefangen in der Donau-Iller-Werkstätte Jungingen mein Sozialpraktikum. Dort in der Werkstätte sind vor allem Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung tätig, manche haben jedoch neben der Geistigen auch eine Körperliche. Träger der Einrichtung ist die Lebenshilfe Ulm/Neu-Ulm e.V.

Ich kam am ersten Tag gleichzeitig mit den Beschäftigten an, dies versetze mich zunächst in eine etwas nachdenkliche Stimmung. Da im ersten Moment sehr viele verschiedene Eindrücke in enorm kurzer Zeit auf mich einwirkten. Doch der herzliche Empfang durch jede einzelne Person dort, machte diese Gemütslage schnell zu Nichte.

Während der Woche begleitete ich eine FSJlerin bei ihrer Arbeit. Somit erlebte ich den Alltag hautnah und konnte mir ein noch besseres Bild machen. Es gab viel zu tun, da wir uns sowohl um die Auftragserfüllung als auch um die Betreuung kümmern mussten. Dies erfordert viel Multitasking, aber verleiht der Arbeit auch ihren Charme. Die Aufgaben der Betreuten sind nach ihrem Leistungsstand an sie angepasst, eine einfache Aufgabe wäre z. B. das Verpacken und eine etwas Schwerere z. B. das Löten. Wobei es in solchen Institutionen nicht nur um das Arbeiten geht, sondern auch um Betreuung. Es steht vor allem im Vordergrund, den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass sie gebraucht werden. Sie erfahren in diesem Umfeld Zuneigung und Geborgenheit, welche in der Welt außerhalb oft fehlt.  Kurz gesagt wird versucht, den Betreuten einen normalen Alltag zu ermöglichen. Denn auf dem ersten Arbeitsmarkt haben diese Personen keine Chance. Zu tiefst hat mich diese Erkenntnis berührt. Denn jeder Einzelne, den ich dort kennenlernen durfte, war der Art nett und aufgeschlossen zu mir. Es herrschte eine richtige Warmherzigkeit in der Werkstätte. Von sehr langen Gesprächen, über unerwartete emotionale Ausbrüche, bis hin zu plötzlichen Umarmungen war alles dabei. Die Betreuten handeln nämlich meist aus dem Affekt, so kommt es oftmals zu Momenten mit denen man nicht rechnet. Diese Offenheit und Nähe, die mir in der Werkstätte entgegen gebracht wurde, war eine besonders schöne Erfahrung für mich.

Abschließend möchte ich noch ein paar Worte zu meinen Erkenntnissen verlieren. Zu nächst einmal bin ich jedoch sehr dankbar, die Möglichkeit dieses Sozialpraktikums gehabt zu haben. Die Woche hat mir sehr viel auch für mein alltägliches Leben gebracht. Sie hat mir in einigen Bereichen im wahrsten Sinne des Wortes die Augen geöffnet.  Zudem habe ich sehr viele tolle Menschen kennengelernt. Besonders bewusst wurde mir in diesen fünf Tagen, dass die Gesundheit keine Selbstverständlichkeit ist. Deswegen sollten wir für jeden Tag dankbar sein, in den wir gesund und munter starten dürfen. Viele Menschen können dies nicht. Des Weiteren hat mir die Woche gezeigt, dass meine Probleme doch kaum von Relevanz sind. In der Regel sind sie von vorübergehender Dauer. Doch eine Behinderung, die bleibt ein Leben lang. Ich bewundere die Menschen wie sie gelernt haben mit dieser umzugehen und Tag ein Tag aus ihr Leben meistern.

Vielen Dank für die Erfahrung (der Dank geht vor allem auch an die Uzin Utz SE, dass sie mir dieses Praktikum ermöglicht hat)! Mich so engagieren zu können hat mir einen enormen inneren Frieden gebracht.

Christoph Schweizer

 

Dieser Bericht wurde im Februar 2017 verfasst.

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