Basketball zu Coronazeiten – Wie die Pandemie den Profisport beeinflusst
Ein Interview mit Andreas Oettel (Geschäftsführer ratiopharm ulm) und Nikolas Rupp (Director Marketing ratiopharm ulm)
Bereits seit 2013 fördert die UZIN UTZ Group den Ulmer Basketballverein BBU’01 im Rahmen einer intensiven Sponsoring-Partnerschaft. Nicht nur die Leidenschaft zum Erfolg, sondern auch die Werte Dynamik, Motivation und Emotion verbinden den Komplettanbieter für Bodensysteme mit dem Profisport. Trotz der derzeitigen Corona-Pandemie ist es dem Unternehmen wichtig, den regionalen Sport weiterhin zu unterstützen.
Im September 2020 wurde nach der 20-monatigen Bauzeit endlich der OrangeCampus eröffnet. Nach nur wenigen Wochen mussten große Teile des Campus, wie etwa das OrangeGym, aufgrund des erneuten Lockdowns bereits wieder für die Öffentlichkeit geschlossen werden.
Wir haken nach: Wie ergeht es ratiopharm ulm in diesen schwierigen Zeiten?
Welche Auswirkungen haben Corona und der aktuelle Lockdown für den Basketballverein? Wie gehen Sie mit den aktuellen Gegebenheiten um?
Nikolas Rupp: Die Corona-Pandemie generell, sowie die einzelnen Lockdowns, haben für den Verein massive Auswirkungen. Mit Beginn der Pandemie wurde entschieden, dass Spiele nur noch ohne Zuschauer stattfinden dürfen. Somit fehlen die Fans in der Arena, die die Basis der gesamten Beliebtheit, der Markenbildung sowie des Events bilden. Zudem ist die Mannschaft seitdem von ihrer Fanbasis räumlich getrennt. Die Nähe, die unseren Sport wesentlich ausmacht, kann nicht gelebt werden.
Hinzu kommen empfindliche Umsatzeinbußen insbesondere in den Bereichen Ticketing, Fanshop, Catering und temporäre sowie langfristige Umsatzeinbrüche im Bereich Sponsoring. Insbesondere Unternehmen auf niedrigerer Sponsoring-Ebene sind uns durch die Pandemie weggebrochen. Viele Betriebe können ihre Produkte und Dienstleistungen aktuell nicht mehr anbieten, weshalb im Augenblick kein Bedarf mehr für Werbung besteht. Unsere Partnerschaften bilden eine wichtige Haupteinnahmequelle, die durch die Maßnahmen rund um die Pandemie austrocknet und nachhaltig geschädigt wird.
Umso dankbarer sind wir einem Partner wie der UZIN UTZ Group, der gegen alle widrigen Umstände als treuer Sponsor an unserer Seite bleibt.
Andeas Oettel: Die aktuellen Gegebenheiten stellen allerdings auch uns selbst vor große Herausforderungen. Aufgrund der erlittenen Umsatzeinbußen mussten wir ein Sparprogramm entwickeln. Demnach befindet sich ein Teil der Belegschaft in Kurzarbeit. Im Leistungssport gibt es keine Möglichkeiten der Kurzarbeit, weshalb wir die Gehaltsstruktur innerhalb des Teams angepasst haben. Beeindruckend ist für uns, dass Belegschaft und Team trotz aller Einbußen weiterhin Spitzenleistungen erbringen. Um die Nähe zu den Fans bestmöglich aufrechtzuerhalten, nutzen wir verstärkt digitale Kanäle und Plattformen wie TV-Shows, Podcasts und Liveshows vor den Spielen, die auf Facebook und YouTube ausgespielt werden.
Welche Auswirkungen hat der Lockdown auf die Spieler sowohl im finanziellen als auch im sozialen und psychischen Bereich?
Andreas Oettel: Wie bereits erwähnt, sind die finanziellen Auswirkungen einschneidend für den Verein und damit auch für die Spieler. Diese haben weiterhin denselben Aufwand wie vor Corona-Zeiten (Training, Reisen, Spiele) und erhalten ein vergleichsweise geringeres Gehalt, da dem Club als Arbeitgeber weniger Geld zur Verfügung steht. Dieser Umstand wirkt sich auf den gesamten Spielermarkt aus und überträgt sich demnach auf die Gehaltsstruktur.
Auch in sozialer Hinsicht hat sich der Alltag für die Spieler, aber auch deren Familien, komplett verändert. Die Spieler werden mehrmals wöchentlich getestet. Da bei einem positiven Ergebnis weder ein Training noch ein Spiel stattfinden könnte, müssen die Spieler ihre privaten und sozialen Kontakte auf ein Minimum reduzieren.
Bei den Spielern handelt es sich meist um junge Menschen, die teilweise ihre Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen haben. In diesem Fall sind die fehlenden sozialen Kontakte gravierend. Unsere internationalen Spieler, die beispielsweise aus der USA kommen, sind hingegen vollkommen isoliert. Normalerweise wurden Spielpausen und Feiertage genutzt, um zu den Familien und Freunden in die Heimat zu fliegen. Dies ist aktuell nicht möglich und belastet diese Spieler sehr. Dazu wirkt sich selbstverständlich auch der fehlende direkte Kontakt zu den Fans auf die Psyche der Spieler aus, der unter normalen Umständen für Motivation und täglichen Antrieb sorgt.
"Die Nähe, die unseren Sport wesentlich ausmacht,
kann nicht gelebt werden."
Für die Spieler ist das private Workout sicherlich ein beutender Teil des individuellen Trainingsplans. Wie halten sich die Spieler insbesondere in der aktuellen Zeit außerhalb des gemeinsamen Trainings fit, zumal Fitnessstudios etc. geschlossen sind? Welche Rolle spielen hierbei der OrangeCampus und dessen Trainingsmöglichkeiten?
Nikolas Rupp: Für ratiopharm ulm ist es tatsächlich ein immenser Vorteil, über eine Struktur, wie den Orange Campus zu verfügen. Die Spieler können rund um die Uhr in einer der drei Hallen alleine oder im Team trainieren. Zudem können der eigene Kraft- und Athletikbereich im Orange Campus genutzt werden. Andere Mannschaften haben diese Möglichkeiten eventuell nicht, da sie normalerweise in den derzeit geschlossenen Studios trainieren. Sie werden in puncto Training und privatem Workout vor große Herausforderungen gestellt.
Welche Tipps können Sie anderen (Hobby-)Sportlern geben, um sich selbst während dem Lockdown weiterhin zu Sport und Bewegung zu motivieren?
Nikolas Rupp: Letztendlich ist die Motivation der Knackpunkt. Es war noch nie so bedeutend für den menschlichen Körper fit, belastbar und gesund zu sein, wie in einer solchen Pandemiesituation. Ein gestärktes Immunsystem ist ein wichtiger Faktor, um diese Situation zusammen als Gesellschaft überstehen zu können. In Kürze werden unsere Spieler gemeinsam mit der UZIN UTZ Group ein paar Anregungen geben, wie jeder zu Hause etwas für die Gesundheit seiner Muskulatur tun kann. Für den Profisportler stellt ein gesunder Körper sein Kapital dar, weshalb eine sehr hohe intrinsische Motivation besteht, jeden Tag aufzustehen und zu trainieren. Dem Hobbysportler fehlt diese Motivation womöglich. Für diesen ist die aktuelle Situation extrem demotivierend, da kein Vereinssport stattfindet oder auch die Fitnessstudios geschlossen sind. Dies stellt nicht nur eine massive Einschränkung für das gesunde Leben eines jeden einzelnen dar, sondern birgt in der aktuellen Pandemiesituation auch enorme Gefahren.
Als Tipp möchte ich jedem raten, sich selbst zu vergegenwärtigen, wie wichtig es ist, körperlich fit und belastbar zu sein und den inneren Schweinehund zu überwinden. Auch in der aktuellen Zeit ist es möglich Sport zu treiben. Zum Beispiel im Rahmen von Onlinekursen, die unter anderem auch vom OrangeGym angeboten werden.

"Es war noch nie so bedeutend für den menschlichen
Körper fit, belastbar und gesund zu sein,
wie in einer solchen Pandemiesituation."
Hat der Lockdown (und Geisterspiele) eventuell auch positive Auswirkungen auf den einen oder anderen Spieler?
Andreas Oettel: Die Fans fehlen den Spielern natürlich unheimlich. Jedoch sind sie dankbar, dass sie so privilegiert sind und ihren Spielbetrieb aufrechterhalten können - der Spielbetrieb im Amateursport ist ja weitgehend stillgelegt. Durch die enge Bündelung und die lange und intensive Zeit die man nun zusammen verbringt, wächst man als Team enorm zusammen. Normalerweise besteht dieser enge Kontakt höchstens während eines 10-tägigen Trainingscamps – jetzt im Dauerzustand. Die Spieler von ratiopharm ulm harmonieren sehr gut miteinander. Offenbar hat sich hier der intensive Kontakt zwischen den Spielern durchaus positiv auf Mannschaft, Teamgeist und spielerischen Erfolg ausgewirkt.
Welche Maßnahmen trifft der Verein bzw. der einzelne Spieler, um die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs bestmöglich zu gewährleisten?
Andreas Oettel: Unsere Maßnahmen orientieren sich an einem internationalen sowie speziell für die Basketball-Bundesliga entwickelten Hygienekonzept. Dieses Konzept bildet die Grundlage für eine Genehmigung des Spielbetriebs. Hierzu gehören wöchentliche Tests der Spieler und Trainer. Aber nicht nur die Spieler, Trainer und Schiedsrichter müssen sich den Auflagen und Regelungen unterwerfen, damit der Spielbetrieb aufrechterhalten werden kann. Auch der Kontakt zum privaten Umfeld, zu Familie und Freunden, wird komplett eingeschränkt.
Wie halten Sie den Kontakt zu Ihren Fans (FAN-ATTACK-ULM)? Und was können diese tun, um den Verein in der aktuellen Zeit zu unterstützen?
Nikolas Rupp: Wir nutzen die sozialen und digitalen Medien sehr stark, um unsere Fans bestmöglich auf dem Laufenden zu halten. Zudem pflegt jeder Spieler eigene Social Media Kanäle, beispielsweise auf Instagram. Auf diese Weise können die Spieler den Kontakt zu ihren Fans aufrechterhalten und werden damit ein Stück weit an die eigentliche Normalität erinnert.
Jeder, der unsere Aktivitäten verfolgt und über uns spricht, hilft uns. Dazu können uns die Fans ganz unmittelbar unterstützen indem sie Fanartikel erwerben oder die Spiele über Magenta Sport verfolgen.
Sind Langzeitfolgen der Coronakrise für den Verein oder den gesamten Basketballsport absehbar? Woran sind diese eventuell heute schon zu erkennen?
Andreas Oettel: Mit Sicherheit wird es langfristige finanzielle Folgen geben, die allerdings aktuell noch schwer konkret abzuschätzen sind.
Und wir stellen uns auf den Umstand ein, dass es eine nachhaltige Veränderung bei Zusammenkünften von Menschen geben wird. Spiele, die in Zukunft wieder mit Zuschauern stattfinden können, werden speziellen Auflagen unterliegen und die Anzahl der Zuschauer wird limitiert sein. Wie die Beschränkungen genau aussehen und welchen Umfang diese haben werden, wird erst die Zukunft zeigen.
Problematisch ist die Situation ebenfalls für den Jugend- und Amateursport, da dieser momentan komplett ausgesetzt ist. Die jungen, angehenden Profisportler befinden sich aktuell mitten in der Entwicklung ihres Körpers und Charakters, die durch die anhaltende Zwangspause gestört wird und es besteht die grundsätzliche Gefahr von Entwicklungsverzögerungen. Das ist natürlich nicht nur im Basketball der Fall, sondern in der gesamten Sportwelt. Wir tun alles, um dieser Gefahr entsprechend entgegenzuwirken. Fehlende Reize und dadurch fehlende Motivation führen bei Kindern und Jugendlichen definitiv zu einer verzögerten Entwicklung und so etwas kann nur schwer wieder aufgeholt werden. Dadurch droht ebenfalls, dass jahrelange Aufbauarbeit in den Vereinen massiv zurückgeworfen wird.
Haben sich durch die Corona-Krise auch neue Chancen für den Verein ergeben?
Andreas Oettel: Wir sind als Sportclub sehr innovationsgetrieben und suchen ständig nach Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Ein sichtbares Ergebnis hiervon ist der OrangeCampus.
Bereits zu Beginn der Pandemie haben wir nach Alternativen gesucht und uns an innovativen Lösungen orientiert. Somit konnte die Kommunikation nach außen, vor allem durch virtuelle Sponsoring Events, digitale Interviews und Videocalls, aufrechterhalten werden. Durch die Digitalisierung des Sports wurden neue Werbeplattformen für unsere Partner geschaffen. Solche Entwicklungen wurden durch die Einschränkungen während der Corona-Pandemie beschleunigt und vorangetrieben. Es sind bereits unzählige neue Möglichkeiten entstanden und wir sind uns sicher, dass die Pandemie noch einige Innovationen mit sich bringen wird.
Als Sponsor und langjähriger Partner von BBU'01 drücken wir fest die Daumen, dass wir die Spieler von ratiopharm ulm bald wieder als Zuschauer vor Ort bei Spielen anfeuern können!
Das Interview wurde im Dezember 2020 geführt.